Samstag, 15. Juli 2017

Stolz und Vorurteil - Jane Austen

"Aber sie war daran gewöhnt, sich zufriedenzugeben, es lag in ihrer Natur, glücklich zu sein, und bald war alles wieder gut." - S. 272



Ich habe Jane Austens Klassiker aus dem Jahr 1813 regelrecht verschlungen. Aufgrund von Freizeit- und Universitätsstress entstanden große Lesepausen - trotzdem habe ich immer wieder sehr schnell zurück in die Geschichte gefunden. Und so habe ich mit 20 Jahren meinen ersten Jane-Austen-Roman gelesen. Spät, aber doch. Ich kannte die Verfilmung, die mir eigentlich sehr gut gefällt. Trotzdem hatte ich nie den Reiz verspürt, mir ihre Bücher anzuschaffen - bis ich an einem verregneten Tag den Uni-Buchladen aufsuchte und diese hübsche Reclam-Ausgabe entdeckte. Da war für mich klar: Jetzt ist die Zeit für Jane Austen da!

Und ich bereue den Kauf auf keinen Fall. Gleich wie bei meiner relativ späten Entdeckung von Harry Potter damals, fragte ich mich auch dieses Mal, warum ich denn erst so spät auf diesen literarischen Zug aufsprang. Denn Jane Austen schreibt so wahnsinnig gut und modern! Ihr Schreibstil ist flüssig und überhaupt nicht mühsam, wie man es oft von anderen Klassikern kennt. Im Gegenteil: Die Sätze sind leicht und schwungvoll, die Sprache drückt nicht.

Die Heldin Elizabeth Bennet ist eine starke, selbstbewusste und eigensinnige Figur, die mir sehr gut gefallen hat. Sie ist schlagfertig und sehr kritisch, das Gegenteil von ihren vier anderen Schwestern. Die Mutter, Mrs. Bennet ist eine labile Persönlichkeit, die ein gutes Ansehen ihrer Familie und die vorteilhafte Verheiratung ihrer fünf Töchter stets anstrebt. Läuft etwas nicht nach ihrem rosigen Plan, scheint eine Welt zusammenzubrechen.
Über Mrs. Bennet 
"Ihr Gemüt war leichter zu durchschauen. Sie war eine Frau von geringer Einsicht, wenig Weltkenntnis und vielen Launen. Wenn sie unzufrieden war, glaubte sie, nervöse Zustände zu haben. Ihre Lebensbeschäftigung war die Verheiratung ihrer Töchter, Besuche und Neuigkeiten waren ihr Lebenstrost." - S. 8
Mr. Bennet hingegen, dessen Lieblingstochter Elizabeth ist, ist das Gegenstück zu seiner Frau. Er teilt nicht ihre Ansichten, spricht spöttisch über sie, zieht sie oft sarkastisch auf und gibt ihr die Schuld für die Entwicklung der drei jüngeren Schwestern Lydia, Kitty und Mary.
Mr. Bennet hat mir als Charakter sehr gut gefallen, wo hingegen Mrs. Bennet einfach nur anstrengend ist. Nach der Lektüre habe ich aber erkannt, dass man die damalige Zeit beachten musste: Denn eine Ehe war wohl das wichtigste anzustrebende Ziel:
Charlotte (eine gute Freundin von Elizabeth) 
"Von Männern und Ehe hatte sie nie viel gehalten; alles, was sie wollte, war verheiratet sein. Das war die einzige standesgemäße Versorgung gebildeter junger Frauen ohne Vermögen; und auch wenn man dadurch nicht unbedingt glücklich wurde, war sie doch der angenehmste Schutz gegen Armut."
Eines Tages wird der kleine englische Ort mit dem Eintreffen des neuen Nachbarn Mr. Charles Bingley, dessen Familie und Mr. Fitzwilliam Darcy, enger Vertrauter und Freund von Bingley, in Aufruhr gebracht. Mrs. Bennet hört schon die Hochzeitsglocken für ihre älteste und wohl auch hübscheste Tochter Jane läuten. Und auch Jane ist schnell sehr begeistert, regelrecht verzaubert vom charmanten Mr. Bingley. Elizabeth hat die beiden gut im Auge, sieht aber keinen Grund, Jane den situierten und höflichen jungen Mann auszureden. Sie genießt die Einladungen von Mr. Bingley und dessen Gespräche sehr, wäre da aber nicht auch Mr. Darcy, ein überaus stolz und ernst wirkend, gleichzeitig interessant und gut aussehender Mann. Elizabeth fühlt sich zu ihm hingezogen, was anfangs nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Schnell erkennt Darcy, zeigt dies aber natürlich keineswegs nach außen hin, dass Elizabeth Bennet doch weit mehr als der Durchschnitt in der Damenwelt ist. Doch zu spät - Darcy ist schon folgendermaßen abgestempelt:
"Über seinen Charakter war das Urteil gefällt: Er war der hochmütigste, unangenehmste Mann der Welt, und alle hofften, er werde nie wieder an einem Fest teilnehmen. - S. 14
Umwege und Missverständnisse, Vorurteile, falsche Schlussfolgerungen und Intrigen ziehen sich bis ans Ende durch. Weitere Verehrer und Verehrerinnen tun sich auf, was nur zu weiterem Herzschmerz und zusätzlicher Eifersucht führt. Es dauert viel zu lange, bis Gefühle ausgesprochen werden - und trotzdem liest sich die Geschichte so wunderschön, wie es selten vorkommt.

Jane Austen verwendet den Erzählstil der erzählten Rede, welcher damals gerade aufkam. Außerdem langweilt sie die Leser*innen nicht mit endlosen Landschafts-, Figuren- und Raumbeschreibungen. Mir fiel das während dem Lesen gar nicht auf. Erst als ich das Nachwort gelesen habe, wurde mir bewusst, dass ein Roman auch so funktioniert. Und ich glaube, dass er deshalb auch so unglaublich flüssig zu lesen ist!

Gefallen hat mir die Ironie, der Witz und die gesellschaftskritische Haltung von Jane Austen, die im Roman zum Ausdruck kommen. Ein wunderschöner, nicht kitschiger, sondern unglaublich passender Liebesroman, der einen nostalgisch werden lässt. Elizabeth Bennet findet neben Scout Finch ("Wer die Nachtigall stört") und Hermine Granger ("Harry Potter") einen ganz besonderen Platz in der Kategorie "starke und bewunderswerte weibliche Hauptfiguren". Ich freue mich auf weiteres von Jane Austen!


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Genre: Roman
Verlag: Reclam
Seiten: 480 (inkl. Nachwort und Anmerkungen des Übersetzers)
Preis: € 8,20 (A) , € 7,95 (D)
ISBN: 978-3-15-020408-5

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